San Pietro di Castello
Kirche und Bischofspalast (im Hintergrund) sowie der überhöht dargestellte Campanile Codussis in einem Gemälde von Francesco Guardi.
Beschreibung
Die seit dem 9. Jahrhundert nachweisbare Kirche war Bischofssitz Venedigs. Ihre Lage am äußersten östlichen Rande der Stadt ist symptomatisch für das ambivalente Verhältnis des Dogats zur Kirche. 1807 wurde San Marco zur Kathedrale erhoben. Nach dem Fortzug des Patriarchen wurde die periphere Insel San Pietro di Castello bedeutungslos.
Die heutige, vom Patriarchen Vincenzo Diedo bereits 1558 in Auftrag gegebene, aber erst 1594-1596 errichtete Fassade von San Pietro di Castello stammt von Francesco Smeraldi, einem Schüler von Palladio, und zeigt unverkennbar Merkmale desselben. Insbesondere ist die Anlehnung an die Fassade von Il Redentore in der Tiefenstaffelung und im letzten Gesims deutlich. Ungewöhnlich ist das Vorhandensein von jeweils einem Portal in den Seitenschiffen. Die Zuschreibung an Palladio selbst ist seit der Publikation von Isermeyer überholt.
Innenraum von der südlichen Chorkapelle aus nach Norden.
Der Innenraum der Kirche wird von Thermenfenstern belichtet und stammt von Giovanni Girolamo (Giangirolamo) Grapiglia, dem Baumeister des Palazzo
Loredan. Es ist evident, daß
San Giorgio Maggiore Vorbild war. Die Seitenschiffe weisen einen geraden Abschluß auf. Die bereits 1825 nach einem Brand erneuerte Kuppel wurde durch ein österreichisches Bombardement während des ersten Weltkriegs vernichtet und danach wiederaufgebaut.
In der von Michele Ungaro nach Entwurf von
Baldassarre Longhena errichteten Vendramin-Kapelle befindet sich eine um 1650 geschaffene
Madonna mit Kind und Seelen im Fegefeuer von Luca Giordano. Die gotische Lando-Kapelle birgt eine
Sacra Conversazione von Marco Basaiti. Der Heilige Lorenzo Giustiniani, erster Patriarch von Venedig, ist in San Pietro di Castello begraben. Ein Marmorthron aus Antiochien (13. Jahrhundert wird als "Sitz des Petrus bezeichnet" und soll von Kaiser Michael III. dem Dogen geschenkt worden sein.
Der ganz mit istrischem Kalkstein verkleidete Glockenturm wurde 1482 durch
Mauro Codussi errichtet. Die auf dem Bild noch sichtbare ursprüngliche Kuppel auf dem Campanile besteht seit 1670 nicht mehr. Südlich an die Kirche schließt der ehemalige Palast des Patriarchen von Venedig an. Nach seiner Umwandlung in eine Kaserne im 19. Jh. ist er heute von Mitgliedern der Unterschicht bewohnt und in desolatem Zustand. Zwischen Campanile und Bischofspalast existierte noch im Jahre 1810 eine vorgotische Taufkirche.
Literatur
Meisterwerke der venezianischen Kirchen, Venezia 2000, p. 92
Isermeyer, Christian Adolf: La concezione degli edifici sacri palladiani, in: Bollettino del Centro Internazionale di Studi di Architettura Andrea Palladio 14.1972, pp. 105ss;