Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 81 83

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Auf diesen Fussbodenplatten nun, deren Oberkante 38 Fuss über dem Strassenpflaster liegt, steht ein Geländer von 3 1/4 Fuss Höhe. Die Form dieses Geländers ist dieselbe wie am Chorbau des Doms zu Murano; kleine Säulchen mit Kapitälchen, ähnlich wie in Fig. 13, welche Rundbogen tragen, über denen eine steile Carniessplatte liegt; vier solche Bogen sind zwischen zwei Postamente eingefasst, um die sich der Carniess verkröpft und die einen Pinienähnlichen Knauf tragen, ungefähr wie die an der Kanzel zu Torcello, aber oben spitzer, unten breiter, auch bei einigen unten mit Blättern besetzt.
Der Mittelbogen nun, welcher weiter und daher auch höher ist als die übrigen, greift durch Sims und Geländer durch. Wie dem ursprünglichen Plane nach diese Unregelmässigkeit hat vermittelt werden sollen, lässt sich schwer ergründen, da uns alle und jede Nachricht über den Zustand dieser Façade vor Aufstellung der 1205 an dieser Stelle placirten vier Broncepferde fehlen.
Auch das Mosaik, welches in der ersten Exedra von Norden herein an der Vorderfaçade sich befindet und unseres Erachtens gleich dem ganzen Nordflügel der Vorhalle erst aus dem Ende des 14. Jahrhunderts datirt, von Vielen aber für ein Werk vom Anfang des 13. Jahrhunderts gehalten wird, verbreitet hierüber kein Licht, denn es ist nach Aufstellung der Pferde gefertigt; es bestätigt aber die oben ausgesprochene Vermuthung über die Eintheilung der Mittellünette, die Flachheit der Kuppeln und die breite Gestaltung des Mittelgiebels.
Das Gebälk zwischen der ersten und zweiten Säulenstellung erscheint auf dem Mosaik als unterbrochen; auf den ersten Anblick macht die Darstellung desselben sogar den Eindruck, als wenn gar keine doppelte Säulenstellung vorhanden sei, sondern eine lange, deren Säulen ziemlich auf ihrer halben Höhe durch eine würfelförmige Binde getheilt seien; dies brachte Engelhardt auf die Vermuthung, dass erst einzelne Würfel gewesen seien und man sie erst später zu dem jetzt vorhandenen oft verkröpften Gebälk vereinigt habe. Uns scheint aber die Ursache dieser Abweichung der Darstellung vom jetzigen Zustande weniger auf einer solchen doch nur schwer ausführbaren, ziemlich zwecklosen und deshalb unwahrscheinlichen spätern Abänderung jener Gliederung, als vielmehr auf folgenden Gründen zu beruhen:
1) Auf der bekannten Unbehülflichkeit der Mosaicisten in perspektivischer Darstellung architektonischer Formen, unter denen wohl verkröpfte Gesimse zu den schwierigsten gehören.
2) Auf der sehr leichten Verwechselung hintergehender Schattenflächen eines solchen verkröpften Gesimses, mit dem Tiefenschatten zwischen einzeln stehenden Würfeln.

 

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