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Uebergriffe übermüthiger Reichsstädtler mit dem Schwert in der Faust zu vertheidigen. In Venedig brauchten auch die Wohnhäuser im 14. und 15. Jahrhundert nicht mehr, wie früher und wie noch damals auf dem Festlande Italiens, so fest zu sein, dass sie dem Anprall einer Partei zu widerstehen geeignet waren; zu solchen Angriffen boten die engen Strassen keinen Raum, die Kanäle zu unsicheres Terrain, Partheikämpfe wurden in der Regel auf den Brücken und Plätzen ausgefochten. Durch diesen Wegfall der Nothwendigkeit einer Verteidigungsfähigkeit war die Möglichkeit gegeben, den Charakter der Bewohner ganz im Gebäude auszusprechen; dieselben sollten erscheinen und erschienen als Wohnstätte eines, durch Handel und Glück reich und vornehm gewordenen Kaufherrn, dessen Haus offen stand für Waaren und Leute aus allen damals bekannten Ländern, und der sich bewusst war, dass er als Mitglied des Senats, als ins Goldene Buch Eingetragener zu den Regenten seines Vaterlandes gehöre, dass seine Kinder den Fürsten anderer Länder ebenbürtig seien, dass er jeden Augenblick Doge werden konnte, der sich bewusst war, dass ohne seine Stimme selbst der Bischof Venedigs nicht vollgültig eingesetzt werden konnte, der also vor keiner offenen weltlichen noch geistlichen Macht sich zu bücken brauchte, der aber zugleich auch recht gut wusste, dass selbst das sorgfältigste Abschliessen seines Hauswesens von der Aussenwelt ihm nichts helfen würde gegen die Argusaugen der Staatsinquisition, (die übrigens nicht, wie in Deutschland Gericht und Vehme, zum Theil in den Händen des Volks, sondern blos in den Händen ihm Ebenbürtiger ruhte), der übrigens nicht fein genug gebildet war, um die Vorzüge einfacher Schönheit dem stolzen Prunk gegenüber würdigen zu können, auch nicht ängstlich speculativ genug, um zu glauben, zu viel Entfaltung von Reichthum könne seinen Handelsoperationen schaden , namentlich da ja damals Venedig keine Rivalen im Handel mit dem Orient hatte (Genua war bedeutend gesunken, der Weg um Afrika herum noch nicht entdeckt.)