palatiumder Familie Ziani bei Santa Giustina (13. Jhd) 2. Von den sogenannten "byzantinischen" oder vorgotischen Palästen des 13. bis 14. Jahrhundert gibt es heute nur noch wenige, und diese sind im 19. Jahrhundert weitgehend verändert worden. Viel alte Substanz ist noch an der Ca' da Mosto am Canal Grande nach der Rialtobrücke erhalten, auch wenn ihr vernachlässigter Zustand auf Dauer dem Bau nicht sonderlich zuträglich sein dürfte. Eine Restaurierung (mit Umbau zum Hotel) ist allerdings bald zu erwarten. Die dekorativen Details des Komplexes Loredan und Farsetti, heute Stadtverwaltung, entstammen weitgehend dem 19. Jahrhundert. Dennoch läßt sich die Fassadenkomposition einer typischen "casa-fondaco" noch klar ablesen: eine Arkadenreihe im Erdgeschoß, welche zum Ein- und Ausladen von Waren diente, und ein ebenfalls durchgehend aufgerissener Piano Nobile (das in Höhe und architektonischem Ausdruck gesteigertes Hauptgeschoß). Im Grundriß äußert sich dies in einem zentralen Saal, der sich zur Fassade T-förmig erweitert.
gotico fiorito
in Venedig ist die Ca' Foscari an der volta di canal
. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gewinnen Nebenräume gegenüber dem portego an Bedeutung, wie z.B. beim Palazzo van Axel. Für die Ca'd'Oro wurde eine farbige Fassung nachgewiesen, und die zunehmende Sensibilisierung bei Sanierungsmaßnahmen führte auch bei anderen Bauten zur Konservierung der alten polychromen Reste, in jüngsten Einzelfällen denkmalpflegerischer und künstlerischer Ignoranz allerdings auch zur Vernichtung (Pal. Gritti Badoer, 2004). Gemälde aus dem 15. und 16. Jahrhundert, insbesondere von Carpaccio und Gentile Bellini, lassen eine intensive Polychromie der gotischen Architektur erkennen. Noch in den 1480er Jahren baute man im lokalen gotischen Stil.
serliana- ein von zwei Kolonnaden mit schmalerem Interkolumnium flankierter Rundbogen - wurde zum beliebtesten Motiv an Fassaden ab dem 16. Jahrhundert und ersetzte oftmals die zentralen mehrbogigen Loggien der früheren Epochen. Im Palazzo Corner della Ca' Grande von Jacopo Sansovino ist - wie auch an der Libreria am Markusplatz - im Rahmen der
Renovatio Urbis Venetiarum
unter dem Dogen Andrea Gritti der Einsatz von Stilelementen der römischen Renaissance zu konstatieren. 5. Andere Architekten wie Michele Sanmicheli verarbeiteten ebenfalls antikisches Formenmaterial zu eigenständigen Erfindungen, doch sind bei diesen, im Gegensatz zu Sansovino, die Grundrisse ganz konventionell.
Schwere Verluste erlitt der venezianische Palastbau im 19. Jahrhundert. Nicht nur wurde zur Schaffung des Bahnhofs die Kirche Santa Lucia abgebrochen, sondern auch das gesamte sie umgebende Viertel mit den Palästen Rezzonico, Bragadin Vescovi und Lion-Cavazza wurde ausgelöscht. 6 Mit dem ökonomischen Niedergang des venezianischen Patriziats traten neue Bevölkerungsgruppen auf den Plan: ausländischer Adel, aufstrebendes Bürgertum und jüdische Unternehmer, die seit Napoleon nicht mehr im Ghetto wohnen mußten. Dem Geschmack der neuen Auftraggeber entsprechend hat sich das 19. Jahrhundert mit einigen neogotischen Um- und Neubauten hervorgetan. Dazu zählen der Palazzetto Stern, Palazzo De Maria auf der Giudecca sowie der radikale Umbau des Palazzo Donà Giovanelli. An manchen neugotischen Bauten wurde versucht, die mittelalterliche Polychromie wiederzubeleben. Von den Lagerkämpfen der beginnenden Denkmalpflege blieb auch Venedig nicht verschont 7: im Glauben, eine bessere Gotik schaffen zu können, wurde der Palazzo Cavalli Franchetti bis auf die Fassade abgerissen und neu errichtet, und anstelle des bedeutenden Palazzo Balbi Michiel Malpaga bei San Barnabà erhebt sich heute der neugotische Palazzetto Stern (dieser aber erst aus dem 20. Jahrhundert) 8. Auch in Venedig hat der vandalisme restaurateur
gehaust.
Viele der Paläste erlitten Verfall, Plünderung und Vandalismus. Es sei hier auf die Beschreibung der Ca'd'Oro und anderer Bauten durch John Ruskin verwiesen. In glücklichen Einzelfällen wie dem Palazzi Barbaro konnten allerdings die Architektur und Innenarchitektur durch kunstsinnige neue Eigentüner gerettet werden.
Auf diesen Seiten wird der Versuch gemacht, einen großen Teil der Paläste in einem Katalog darzustellen. Besondere Berücksichtigung finden dabei die weniger bekannten Gebäude in den abgelegenen Vierteln und an Seitenkanälen. Es muß allerdings darauf hingewiesen werden daß der Katalog keineswegs vollständig ist - und in absehbarer Zeit auch nicht werden wird.
1 Schulz, Juergen: The new palaces of medieval Venice, Pennsylvania 2004, p. 5
2 cf. Fees, Irmgard: Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig - die Familie Ziani, Tübingen 1988, passim. Der Palast ist nicht zu verwechseln mit einem heute als Pal. Ziani bezeichneten Gebäude, cf. Giandomenico Romanelli (a cura di), Palazzo Ziani, Venezia 1994.
3Die Vermutung von Foscari, Antonio: L'invenzione di Palladio per un "sito piramidale" in Venezia, in: Arte Veneta XXXIII.1978, pp. 136-141, daß die gemeinhin für den Palazzo Grimani a San Luca erachtete Entwurf eigentlich für die Palazzi Mocenigo gedacht gewesen sei, ist m.E. nicht haltbar. Lorenz, op.cit,, p. 50, möchte die Palazzi Mocenigo allerdings ausschließlich als Beispiele des "modo veneziano" sehen.
4cf. Frommel, Sabine: Sebastiano Serlio e il palazzo Zen a Venezia Il committente e l'architetto, in: Annali di Architettura, Rivista del Centro Internazionale du Studi die Architettura Andrea Palladio di Vicenza 13/2001, pp. 53-69
5 Tafuri, Manfredo: "Renovatio Urbis". Venezia nell'età di Andrea Gritti (1523-1538), Roma 1984
6 cf. Bassi, op. cit., pp. 368-380 sowie die Ansicht von Quadri, c. 1838
7 Bedeutendster Vertreter der von Ruskin beeinflußten Gruppe von Befürwortern des "restauro conservativo" war Conte Alvise Pietro Zorzi. Besonders die "Restaurierung" der Nord- und Westfassaden von San Marco durch Giovanni Battista Meduna stieß auf polemische Kritik. Die Streitschrift von Zorzi (1877) ist Gegenstand bei Wolters, Wolfgang: Noch einmal: Restaurieren oder Renovieren?, in: Strobel, Richard; Mörsch, Georg: Die Denkmalpflege als Plage und Frage - Festgabe für August Gebeßler, München 1989, pp. 191-193
8 cf. Bassi, op. cit., pp. 107, 118; Arslan, op. cit., p. 255