Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 85 87

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es sind im Ganzen blos 22 solche Säulen; davon tragen blos 18 gleichgrosse und ziemlich gleich gebildete Kapitale und diese wären doch recht gut von einem noch gar nicht so sehr umfänglichen antiken Gebäude zu entnehmen gewesen, namentlich da man auch die beschädigten verwenden konnte, wie wir gleich sehen werden. Der stichhaltigste seiner Gründe scheint bei Betrachtung der nach Art der corinthischen angeordneten Kapitäle die Beschaffenheit der Technik zu sein: die Blattspitzen sind nämlich grösstentheils sehr stumpf und nicht mit römischer Accuratesse, aber ebenso wenig so plump gearbeitet wie dies im 5. und 6. Jahrhundert geschah; die Schnecken sind nur an sechs derselben vollständig erhalten, an zweien derselben etwas kleiner und stumpfer als an den vier andern gearbeitet, jedes dieser Schneckenkapitäle ist allemal zwischen je zwei andere gestellt, an denen sich statt der Schnecken halbe, auf die Vorderfüsse sich stützende und herabschauende Widder befinden, die weniger Ausladung haben als die Schnecken der ersteren; wahrscheinlich waren die Kapitäle beschädigt, die Schnecken-Enden abgestossen und man arbeitete sie deshalb theilweise um, wie wir dies schon an den Palästen Loredan und Dandolo gesehen haben. Dafür, dass diese Kapitale nicht mehr in ursprünglichem Zustande sind, zeugt die Verschiedenheit des Meisselschlags, der in den tieferliegenden Theilen von bei weitem mehr Fertigkeit zeugt, als an den Blattspitzen und den Widderköpfen; diese allerdings tragen in Zeichnung und Technik deutliche Spuren, dass sie im 11. Jahrhundert gearbeitet wurden, aber die Kapitäle selbst sind jedenfalls älter; wenn sie gleichzeitig mit dem Bau gemacht wurden, warum hätten sie dann nicht die jener Zeit angehörende Form eines nach unten abgerundeten Würfels oder eines verkehrt abgestutzten Kegels mit nach unten zu abgestumpften Ecken? Diese Formen zeigen nämlich nicht blos die vier andern mit den eben beschriebenen 18 in derselben Reihe stehenden, sondern auch die Kapitäle der 14 Wandsäulen, welche, hinter den Pfeilern an der Umfassungsmauer stehend, die untern Gurtbogen auffangen, die in gleicher Höhe mit den auf jenen Säulen ruhenden Bogen von den Pfeilern nach der Umfassungswand geschlagen sind; diese Kapitäle sind jedenfalls gleichzeitig mit dem Bau der Kirche und für denselben besonders gearbeitet, denn sie sind in die Mauer hineingebunden und zu diesem Zwecke nach hinten verlängert. Die Ornamentation besteht bei einigen aus Ranken die eine Art Palmette auf der Mitte jeder Seite umziehen, bei andern aus flach gearbeitetem, zwischen dem römischen Acanthusblatt und dem Seegras ähnlichen Blatt des Kapitäls Fig. 44 mitten innestehendem Blattwerk, welches sich über den ganzen Würfel verbreitet, während bei einigen blos an den Ecken sich solche Blätter in die Höhe ziehen, in

 

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