Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 82 84

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3) Auf einer, wenn man so will, Caprice des Mosaicisten, der die Anordnung dieses Gebälkes, wie sie sieh auf der Nordseite des zur Zeit der Anfertigung dieses Mosaiks eben erbauten Vorhallenflügels zeigt, wo über jeder Säule ein Feld in denselben abgetheilt ist, auf seiner Ansicht der Westseite durchführte. Auf architektonische Details darf man aus solchen Darstellungen niemals schliessen, blos auf Disposition, denn diese war der Mosaicist wiederzugeben fähig, jene nicht. So hat auch Herr Engelhardt aus dem Umstande, dass auf dem Mosaik die Thüren sehr hoch angegeben sind, ganz richtig geschlossen, dass die Bogen bis oben offen gewesen sein mögen; kann man ebenso auch annehmen, dass sie scheitrecht geschlossen gewesen seien, weil sie auf dem Mosaik viereckig dargestellt sind? Wohl nicht; waren die Bogen einmal bis oben offen, so ging diese Oeffnung wohl auch bis zum Scheitel derselben, wozu die scheitrechte Schliessung, und wie sie construiren? von scheitrechten Bogen wusste man wohl damals noch nichts; wir glauben, die Bogen gingen in ihrer ganzen Höhe durch. Behaupten lässt sich freilich nichts; aber gewissermassen bestätigt wird doch diese unsere Vermuthung ausser durch den oben erwähnten Zustand des Gebälkes zwischen den beiden Säulenreihen und durch jene Darstellung auf dem Mosaik auch noch durch den Umstand, dass die Gewände und Stürze, sowie auch die über die Thüren sich hinziehenden Theile jenes Gebälkes bei genauer Besichtigung als später erst in die benachbarten Steine eingefügt und eingeklammert sich herausstellen.
Was nun die in dem oben beschriebenen Theile des Aeussern verwendeten Details anbelangt, so tragen die Kapitälformen, namentlich der untern Säulenreihe wesentlich zur Bestätigung unserer Vermuthung bei. Es sind nämlich an den vier von uns für ursprünglich gehaltenen Pfeilern C, D, E, F, namentlich an ihren Stirnflächenbauten wenn auch nicht ganz, doch ziemlich gleichgestaltete Kapitäler, fast sämmtlich spätrömischer Arbeit, ähnlich dem in Fig. 16, s. S. 29, dargestellten, nur steht die untere Blattreihe etwas steiler, hat weniger Ausladung und nur der mittlere Theil eines jeden Blattes hat einen kurzen Umschlag, wahrscheinlich waren die vortretenden Blattspitzen abgebrochen und wurden nachgearbeitet, wie beim Pal. Loredan. Dasselbe gilt von den Schnecken und dem geschweiften Abakus, der bei einigen abgerundete Ecken hat, bei andern fehlt die Mittelblume am Abakus etc., kurz, wir begegnen hier derselben Anwendung spätrömischer Kapitale, derselben Manier, sie verwendbar zu machen und zu restauriren, wie an den Palästen aus dem zweiten Dritttheil des 11. Jahrhunderts; die Säulen in den Bogenlichten hingegen haben Kapitäle, die zwar das Bestreben zeigen, sich der Hauptform der eben besprochenen anzuschliessen, die aber nur zum

 

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