Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 293 295

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fassung der Scheiben bildet ein Doppelzahnschnitt oder Kranz von weissem Marmor, welcher hie und da vergoldet gewesen zu sein scheint. Die Umgebung der Scheiben, der übrige Theil des Zwickelfeldes ist mit rothem oder grünem, hie und da auch wohl mit weissem Marmor belegt. An geputzten und bemalten Façaden ist Stift und Knopf das Einzige, was vorsteht. Die Scheibe, roth oder grün mit goldener, gelber oder weisser Einfassung ist hier nicht immer kreis - sondern wohl auch rautenförmig und von Ornamenten umgeben, deren Grundfarbe in der Regel etwas dunkler, todter als die des vierseitigen Friesses ist.
5)   Die Gurtsimse, soweit sie plastisch verziert sind, bestehen aus weissem Marmor oder grauem istrischen Stein, ob sie bemalt gewesen sind, haben wir nicht genau ergründen können; Spuren von Vergoldung finden sich hie und da; doch zieht sich häufig unter ihnen ein, von buntem Marmor eingelegter oder auch bemalter Fries hin, welcher in derselben Weise gestaltet ist, als die unter 3 erwähnten Fenstereinfassungen.
6)   Die Gondelpfähle sind mit Spiral oder Querstreifen in den Hausfarben des Besitzers umwunden, auf ihrem obern breiten Ende sitzt ein rundes Kapitälchen mit einem Knopf, beides in ähnlicher Weise bemalt wie die Ornamente des Hauses und oft reich vergoldet. Die beiden Pfähle zunächst des Hauptportals tragen grosse, reich verzierte Laternen, theilweise vergoldet und mit bunten Gläsern versehen.
Fügt der geneigte Leser zu diesen Sätzen noch das hinzu, was bei Besprechung der einzelnen Paläste über die Farbenausstattung derselben erwähnt ward, und denkt er sich dazu an diesen Pfählen Gondeln angehängt, deren Schnabel von polirtem Stahl in das dunkele Wasser der Lagunen sein zitterndes Spiegelbild wirft; deren Rumpf und Gehäuse aus polirtem Ebenholz mit reich vergoldeten Bronzebeschlägen und Fenstern von Crystallglas, blos hie und da hervorschimmert unter dem prachtvollen Gewände bunter orientalischer Teppiche, die auf eine geraume Länge (bis zu 30 Fuss) auf dem Wasser hinterher schaukeln, vor dem Untersinken durch Wachsleinwandfutter geschützt, so kann er sich ein Bild von dem überaus prunkvollen Anblick machen, den ein solches venetianisches Wohnhaus gewährte, und der ganz harmonirte mit der Bestimmung desselben. Die Bewohner dieser Häuser waren nicht, wie in Deutschland, ernste, gemessene, dabei aber schlichte und streng-religiöse Geschäftsleute, sie waren aber auch nicht Edelleute, welche pochend auf die unbefleckte und unvermischte Abstammung von einer ununterbrochenen Reihe edler Vorfahren immer bereit waren, jeden Angriff auf die Ehre ihres Namens mit Gut und Blut zu vertheidigen, aber auch immer bereit waren, für das Christenthum in Kampf und Tod zu gehen, und immer bereit sein mussten, die ererbten Rechte gegen die

 

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