Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 230 232

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ganz allgemein, aber doch noch vielfach angebracht worden zu sein scheint. Auch bei der Cá d'oro werden wir sie noch kennen lernen.
Eine ähnliche Halle findet man an kleinen Wohnhäusern, namentlich wenn sie unmittelbar am Wasser liegen, vielfach, ja in Murano sogar in ununterbrochener Reihenfolge, so dass sie so zu sagen ein überbautes Trottoir bilden. Auch die Casa Balbi Valier hat eine solche.
Der kleine Palazzo Widmann fauch Balbi Widmann) am grossen Kanal und der Palast Bembo neben dem Palast Manin, unweit der Rialtobrücke, gehören ebenfalls der Periode an, deren Bauwerke wir eben an uns vorüberziehen sahen und deren beiden prächtigsten Denkmale in Bezug auf Wohnhausarchitectur uns noch zu betrachten übrig bleiben.
Zuerst wenden wir uns zu der bereits mehrfach erwähnten Ca d'oro ( am Canal grande, welche die meisten Kunsthistoriker, verleitet durch die Fülle von Verzierungen an der fast überreichen Façade, als den schönsten Palastbau des Mittelalters in der Lagunenstadt betrachten und dessen Erbauung daher von vielen in die Blüthezeit der venetianischen Gothik versetzt, von andern sogar dem Calendario zugeschrieben wird. Wir können uns aber damit nicht einverstanden erklären und zwar aus folgenden Gründen. 1) Die Maasswerksformen des Pergolo gehören, wie bereits erwähnt, spätem Zeiten an, sie sind in Disposition und Profilirung schon viel weiter entwickelt, als am Dogenpalast. 2) Die Maasswerke der Fenster haben in Form, Disposition, und Profilirung weit mehr Aehnlichkeit mit den Werken des Andriolo etc. als mit den Arkaden des Dogenpalastes. 3) Die Wandbekleidung, felderweis eingetheilt und ohne alle byzantinischen Anklänge in Vertheilung der Farben, trägt durchaus einen andern Charakter, als die Bekleidung der Bogenzwickel in der untern Halle des Dogenpalastes. 4) Sämmtliches Simswerk ist bei weitem kecker profilirt, als am Dogenpalast. 5) Das sämmtliche Laubwerk, auch an den untergeordneten und an solchen Theilen, die man als gleich beim Bauen gearbeitet annehmen muss, hat bei weitem mehr Aehnlichkeit mit den, wie wir oben ausführten, wahrscheinlich später ausgearbeiteten Capitälen des Dogenpalasts, als mit den gleich beim Bau gearbeiteten Theilen jener Hallen. 6) Die ganze Façade trägt in ihrer überreichen Verzierung, in dem darin ausgesprochenen Bestreben, mit Mannichfaltigkeit der Decorationsweise und mit Entfaltung von Hilfsmitteln zu coquettiren, vollständig das Gepräge eines Styls, der, auf dem höchsten Entfaltungspunkt seines ganzen Glanzes angelangt, eben im Begriff ist sich dem Verfall zuzuneigen, während die Dogenpalasthallen in ihrer höchst einfachen, ruhigen Disposition und periodischen Wiederholung, in ihrem im Ganzen durchaus nicht bedeutenden Schmuck mit Ornamenten das Gepräge eines Styls tragen, welcher, noch in der Ent-

 

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