Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 193 195

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ständigen Entwürfen gearbeitet worden sein, und dies Wenige muss jedenfalls an dem oberen Theil der Säulenhallen gesucht werden und zwar aus folgenden Gründen:
1)   Nach nicht ganz zu verwerfenden Nachrichten geschah das Aufhängen zwischen den beiden rothen Säulen im Obergeschoss des
Säulenganges.
2)   Nach andern ganz verbürgten Nachrichten geschah es an den Fenstern; die obero Intercolumnien konnte man wohl als solche bezeichnen, die untern nicht.
3)   Gleich nach der unglücklichen Katastrophe wurde nicht nur der Bau sofort eingestellt, sondern sogar beschlossen, *) dass es Niemand wagen solle, der Regierung von Venedig vorzuschlagen, den alten Palast abzutragen und ihn von neuem reicher wieder aufzubauen; jeder dies Gesetz Uebertretende sollte 1000 Ducati Strafe zahlen. Man brachte also jedenfalls die Revolution mit jenem Vorschlag Calendarios in Zusammenhang; da von nun an der Bau beinahe 70 Jahre ausgesetzt blieb, die Decke aber und das Simswerk des obern Bogenganges mit denen des untern völlig übereinstimmt, so ist zu vermuthen, dass beide Etagen bereits vollendet waren, oder doch nur noch sehr wenig Arbeit zu ihrer Vollendung bedurften, als Calendario hingerichtet ward. Da nun in der kurzen Zeit der selbstständigen Wirksamkeit Calendario's die Vollendung einer so bedeutenden und reich verzierten Arbeit kaum möglich ist, so müssen wir annehmen, dass dieselbe bereits unter Baseggio vielleicht um 1340 begonnen und 1355 vollendet ward, wobei ein bedeutender Einfluss Calendario's auf die Gestaltung auch der vor seinem selbstständigen Auftreten gefertigten Arbeiten natürlich durchaus nicht in Abrede gestellt werden soll, ja sogar bei den nahen Beziehungen zwischen Calendario und Baseggio sehr wahrscheinlich ist.
Die Hauptdisposition dieser Hallen ist allgemein bekannt und glauben wir hier nicht nöthig zu haben, näher darauf einzugehen; nur so viel sei noch bemerkt, dass uns die Umstände nicht viel zu beweisen scheinen, welche gewöhnlich zur Verteidigung oder Begründung der Ansicht angeführt werden, dass die Colonnaden auch erst im 15. Jahrhundert aufgeführt seien. Diese Punkte sind zunächst die Arbeit an den Capitälen, welche man allerdings nicht ganz ohne Grund dem Bildhauer Bon zuschreibt; aber es war fast allgemein Gebrauch im Mittelalter und ist noch jetzt in der Bautechnik als zweckmässig anerkannt, feinere Ornamente erst nach Vollendung des Baues an die einstweilen roh versetzten Bautheile zu arbeiten ; warum sollte man es nicht
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*) S. Zancarola. Vol. II. pag 275.

 

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