Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 187 189

S. 188

Die Jahreszahl 1348 trägt ein Basrelief, welches im Mauerwerk der Scuola S. Giovanni Evangelista eingefügt ist und die Brüderschaftsmitglieder darstellt, vor ihrem Schutzpatron knieend; die Arbeit dieser jedenfalls vom ersten Beginn dieses später zu betrachtenden Baues herrührenden Platte ist zwar nicht gerade schön zu nennen ; im Gegentheil bekundet sie hier und da Unsicherheit in der Meiselführung, sie hat aber doch so manchen Vorzug vor vielen gleichzeitigen Arbeiten, die, Bewegungen der Figürchen sind mannigfach und ausdrucksvoll und der Faltenwurf bei einigen mit grossem Verständniss disponirt, so dass sie wohl zu den besten gezählt zu werden verdient.
1350 liess der Doge Andrea Dandolo in der damals immer noch nicht ganz vollendeten Capelle S. Isidor in S. Marco (L auf Fig. 45) diesem Heiligen ein Grabmal errichten. Dasselbe ist reich mit Sculpturen versehen, von denen einige allerdings kaum mittelmässig zu nennen sind; die auf dem Sarkophag liegende Porträtfigur des Heiligen jedoch ist mit seltener Feinheit ausgeführt, die Gewandung elegant angeordnet und der Faltenwurf reich und graciös; ebenso fein ausgeführt, obgleich in Bezug auf die Composition stellenweise etwas unbeholfen, aber doch reges Streben nach Aufschwung verrathend, sind die Basreliefs der Vorderseite, Scenen aus dem Leben und Wirken des Heiligen darstellend und sehr elegant und lebendig in den Bewegungen, mit sorgfältiger Vermeidung alles Manierirten zeigen sich die kleinen Heiligenfiguren, welche die Fläche des Sarkophags abtheilen. Die Verzierungen des Bogens führen fast zu der Vermuthung, dass sie schon früher gearbeitet sind; die Anordnung derselben — Blumenranken mit Thieren dazwischen — ist ganz dieselbe, wie wir sie an den byzantinischen Archivolten gefunden haben, die Ausführung jedoch ist so elegant und fein, dass sie wohl gleichzeitig mit dem Grabmal selbst sein kann. Um dieselbe Zeit, nach einigen sogar in demselben Jahre, wurden die Mosaiks im Baptisterium und wahrscheinlich bald darauf auch die anderen innern Decorationen desselben vollendet, so dass Andrea Dandolo nach seinem 1354 erfolgten Tode in diesem Baptisterium eine seiner segensreichen Wirksamkeit und hohen Gelehrsamkeit würdige Ruhe-Stätte finden konnte. Und in der That ist dieses Grabmal eins der schönsten jener Zeit. Die Disposition zeigt vom Einfluss der Pisaner Schule; vielleicht wurde Petrarca, der Freund des Verstorbenen, bei der Wahl der Hauptform oder auch des Künstlers zu Rathe gezogen. Die Engel, welche an den Ecken des Sarkophags stehen, einen Vorhang aufhebend, hinter dem man den Verstorbenen ausgestreckt sieht, erinnern lebhaft an Werke des Nino Pisano; auch in der Bewegung, der Anordnung des Faltenwurfs etc. sieht man das Bestreben, sich den

 

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