Geschichte der Architektur und Bildhauerei in Venedig 142 144

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Form aus einer Nachahmung der Kapitäle herzuführen, indem sie sich nicht die Mühe gaben, sich die älteren oben beschriebenen Brunnen anzusehen, aus deren Form hervorgeht, dass man nur allmälig von der traditionellen römischen und dabei einfach naturgemässen Form des Cylinders zu der später stereotypen des Kapitäls überging. Noch bestärkt wurden sie allerdings in ihrem Glauben dadurch, dass in einem sehr leicht zugänglichen kleinen Hofe an der Riva dei Schiavoni ein antik römisches Kapitäl als Brunnenmündung angewendet ist. Es ist dies aber immer ein vereinzelter Fall, der den hunderten von Beispielen ganz anderer Art gegenüber sehr wenig Geltung hat.
In vielen dieser Brunnenmündungen nun und auch in den Architecturformen der von uns demnächst zu betrachtenden Privatbauten jener Zeit, zeigt sieh so viel Sinn für das Poetische, so viel Anlehnung an orientalische Bauten, dass manche gradezu von arabischem Stil an diesen Bauwerken gesprochen haben, bei naher Betrachtung findet man aber denn doch so manche wesentliche Verschiedenheit zwischen der venetianischen und arabischen Baukunst, diesen beiden Töchtern der byzantinischen. Die Bogenform der venetianischen, der oben ausgeschneppte überhobene Rundbogen, wie er sich zuerst gegen das Ende des 11. Jahrhunderts zeigt und bis zu Ende des 12. erhält, dann aber allmälig im Laufe des 13. Jahrhunderts in den Eselsrücken übergeht, bildete sich, wie wir gesehen, nicht aus einer constructiven Nothwendigkeit, sondern aus ornamentalen Rücksichten, indem die Schneppe zuerst in der Archivolte, später erst im Bogenlichten auftritt. Die Kämpfergesimse sind vielgliedrig, hoch und steil, wenig ausladend; das Blattwerk der Kapitäle, frei und keck ausgearbeitet, deutet in seiner Formgebung viel auf nordische Einflüsse, während Kapitäl und Füsse in der Hauptform auf unverstandene Nachbildung älterer Kapitälformen hinzeigen, die Schäfte aber zwar nicht schwer und plump, ebensowenig aber absonderlich schwach sind. Die Bogen sitzen mit ihren Archivolten bündig mit der Mauer, so dass die einfassenden Glieder sogar noch vorstehen und sich auf dem durchgehenden Kämpfergesims todtlaufen. Die Wandflächen zwischen den Bogen sind durch Wappen, Scheiben und dgl. verziert, die Bogen entbehren aber aller weitern Einzelnumfassung, als der ihrer Archivolten; trotz der Spitze des Bogens herrscht die Horizontale noch vor. Das Alles ist beim arabischen anders. Dort geht der Rundbogen aus construetiven Rücksichten in den Spitzbogen über; der Bogen selbt sitzt stets gegen die Mauer etwas vertieft in dem Schild eines scheitrechten Bogens; um diesem eingesetzten Bogen Auflage zu gewähren, ist das Kämpfergesims sehr weit ausladend gearbeitet, die Bogen selbst aber nach unten zu hufeisenförmig eingebogen; Pfeiler und Säulen sind auf

 

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