Das Handelshaus der Deutschen befindet sich in am Rialto in unmittelbarer Nähe zur gleichnamigen Brücke. 1505 brannte der alte Fondaco ab. Der neue Fondaco wurde nach Entwurf von Scarpagnino und Giorgio Spavento errichtet. Auch war der Mönch Fra Giocondo beteiligt. Im Juni 1505 wurde der Proveditore al Sal
Alvise Emo mit der Leitung des Neubaues beauftragt. Die für venezianische Verhältnisse gewaltige Kubatur entwickelt sich um einen quadratischen, heute mit Glas überdachten Innenhof. Die Hauptfassade zum Canal Grande ist dreigeteilt, wobei eine fünfbogige Pfeilerarkade den Mittelteil des Erdgeschosses einnimmt. Der ausgeprägte Horizontalismus der Fassade wird durch die neun Meter langen Balkone der Seitenteile noch verstärkt. Im rückwärtigen Teil des Komplexes waren einst die Refektorien angeordnet. Der einzige Landzugang erfolgte von der Calle del Fontego an der Südseite. Zu den Landverkehrswegen waren neunzehn Ladengeschäfte angeordnet, die jedoch nicht von den Deutschen bedient wurden und von diesen durch eine Mauer getrennt waren. Zwei Treppenhäuser erschlossen vom Innenhof aus die Obergeschosse.
Bei der Fassadendekoration wurde den deutschen Kaufleuten die Inkrustation, also die Verkleidung mit Naturstein, ausdrücklich untersagt. Dies erklärt sich aus der höheren Stellung von Naturstein in der Materialhierarchie. Stattdessen freskierten ab 1508 Tizian und Giorgione die Fassade mit figürlichen Darstellungen, die teilweise in gemalten Nischen zwischen den Fenstern angeordnet waren. Die letzten verbliebenen Reste dieser Fresken, welche auch von Vasari beschrieben werden, wurden bei jener "Restaurierung" im vierten Jahrzehnt des 19. Jh., der auch die ursprünglich vorhandenen Ecktürme zum Opfer fielen, abgenommen und sind heute in der Galleria Franchetti in der Ca'd'Oro ausgestellt 1. Berücksichtigt man dies, sind Parallelen der Fassade des Fondaco dei Tedeschi mit vorgotischer Palastarchitektur wie beispielsweise dem Palazzo Palmieri di Pesaro, auch bekannt als Fondaco dei Turchi, deutlich erkennbar. Die deutsche Handelsniederlassung wurde 1806 unter napoleonischer Besatzung aufgelöst. Danach diente der Bau als Zollamt. Seit 1870 wird der Fondaco von der italienischen Post genutzt.
Der Fondaco dei Tedeschi in einer Ansicht von Canaletto (Ausschnitt). Zu beachten sind die zwar bereits verblaßten, aber noch erkennbaren Fresken sowie die Kamine und einer der Ecktürme. Die letzte große Restaurierungskampange fand im vierten Jahrhzehnt des 20. Jahrhunderts statt. Angesichts dieser lebendigen und farbigen Architektur kann das heutige reinweißen Erscheinungsbild nur als restauratorischer Mißgriff betrachtet werden.
1 Noch in den Ansichten von Antonio Lazzari (1831) und Antonio Quadri (1828-31) sind sowohl die Ecktürme als auch die einst für Venedig so charakteristischen, in einem auf dem Kopfe stehenden Konus endenden Kamine gut zu erkennen.
Valcanover, Francesco: Il recupero di affreschi di Tiziano al Fondaco dei Tedeschi, in: Arte veneta, 21.1967, pp. 266-268