Strada Nova / Via Vittorio Emanuele II

 

Die Via Vittorio Emanuele II, die bald nach ihrer Einweihung und bis heute schlicht als "Strada Nova" bezeichnet wird, ist ein breiter, straßenartiger und geradliniger Durchbruch im Sestiere von Cannaregio , welcher den Campo Santi Apostoli über den Campo San Felice mit dem Campo Santa Fosca verbindet. Das Projekt entstand im Rahmen mehrerer, im siebten und achten Jahrzehnt vom Präfekten Luigi Torelli als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Initialzündung für einen allgemeinen Wirtschaftsaufschwung der Stadt angestoßenen städtebaulichen Interventionen, zu denen auch die Schaffung des sogenannten Bacino Orseolo hinter dem Markusplatz gehört. Mit der Ansiedlung des Bahnhofs auf dem ehemaligen Areal der Kirche Santa Lucia im Nordwesten von Cannaregio war den Planern eine möglichst direkte Verbindung mit der Piazza San Marco wichtig geworden. Die Idee zur Via Vittorio Emanuele II als einem Teil der Verbindungslinie Bahnhof - Campo Santa Fosca - Campo Santi Apostoli - Campo San Bartolomeo - Campo San Stefano - Markusplatz wurde 1867-68, also bald nach dem Anschluß Venedigs an Italien innerhalb der Commissione per lo studio d'un piano di riforma delle vie e canali della città di Venezia, einer der zahlreichen Kommissionen jener Zeit, erarbeitet. Die Via Vittorio Emanuele II ist, wie die via 2 Aprile und die via 22 Marzo, eine von insgesamt drei "vie" in Venedig. Bereits die Bezeichnung zeigt, daß hier festländische städtebauliche Modelle zur Anwendung kamen.

Wegeführung der Strada Nova

Gegenüberstellung der Streckenführungen der Strada Nova
zwischen dem Campo Santa Fosca (links) und dem Campo SS. Apostoli (rechts)
Zur Ausführung kam die dunklere Variante

Bei der Führung des Teilstücks zwischen den Campi Santi Apostoli und Santa Fosca standen sich bald zwei gänzlich unterschiedliche Vorschläge gegenüber: eine geradlinige, zehn Meter breite und auf massive Abbrüche des Baubestands angewiesene Trasse sowie eine auf dem Aufbau bereits existierender Gassen basierende, unter anderem am Palazzo Giovanelli vorbeiführende, schmalere und durch die geringere Zahl von Abbrüchen deutlich kostengünstigere Variante, die allerdings nicht geradlinig verlief. Trotz öffentlicher Proteste, unter anderem des Ingenieurs Consiglio Fano, der einen weiteren Alternativvorschlag unterbreitete, konnte sich der erste Entwurf durchsetzen.

Die schließlich am 02.09.1871 eingeweihte Strada Nova ist ganz dem Diktat des rechten Winkels unterworfen und nimmt auf die überkommene Wegeführung keinerlei Rücksicht. Ehemalige Rückfassaden wurden sichtbar oder, wie im Falle des Palazzo Sagredo am Campo Santa Sofia, unter Adaption des vorgefundenen Stils ergänzt. Als wertvoll erachtete Baudekoration in Stein wurde teilweise in die Neubauten integriert. Die zumeist in einem diffusen pseudoklassizistischen Stil mit parataktischer Fassadenkomposition gehaltenen Neubauten versuchen nicht, den Schnitt, welchen die Via Vittorio Emanuele II darstellt, zu kaschieren.

Die Rezeption der Strada Nova im 20. Jahrhundert ist größtenteils negativ. Nach Giandomenico Romanelli ist die Strada Nova piuttosto un monumento che la classe dirigente dell'unificazione, sopravissuta in buona parte al precende regime, ha eretto a se stessa per autoconvincersi della propria esistenza oltre che delle proprie capacità realizzative. Ebenfalls durchweg negativ war das Urteil von Pompeo Molmenti, der eine Notwendigkeit für den Bau der Straße nicht gegeben sah. Zudem seien die Häuser von einer uniforme vulgarità.

Literatur

Romanelli, Giandomenico: Venezia Ottocento, Venezia 1977, pp. 423-426

 

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